GIS als räumliches Denken in der Geographie

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Geographische Abstraktion

Wenn wir uns in unserer Alltagswelt umschauen, stellen wir fest, dass - gleich ob Internet, Fernsehen oder Hörfunk - ein zunehmender Teil unserer Informationen, unserer Kommunikation und unseres Wissens auf digitalen, medial aufbereiteten Daten basiert. Die allgegenwärtigen Schlagworte der Informationsgesellschaft und des Informationszeitalters paraphrasieren diese Wahrnehmung eindrücklich.
Trotz einer durchaus kontroversen Diskussion dieser Begriffe darf angenommen werden, dass der Umgang mit globalen Daten-, Informations- und Wissensnetzen gerade für eine Disziplin wie die der Geographie von elementarer Bedeutung ist. Die ständige Zunahme neuer Sensoren in Raum und Zeit, die hoch aufgelöste und weltweit verfügbare Daten liefern, erzwingt den organisierten und strukturierten Umgang mit selbigen. Gleichzeitig ist durch die Existenz der Daten die Notwendigkeit gegeben diese möglichst zeitnah zu filtern, analysieren und zu interpretieren, diese also in Informationen zu wandeln.
Vor diesem Hintergrund bekommt der Begriff Information eine neue Dimension. Um zu Informationen zu gelangen genügt es keinesfalls in Daten zu ertrinken. Wir benötigen Interpretationsvorschriften und Analysewerkzeuge um aus Daten Informationen oder Wissen zu generieren.

Geographische oder räumliche Repräsentationen sind die Grundlage für eine wissenschaftliche ! Interpretation von raum-zeitlichen Aspekten der Echtwelt. In der Wissenschaft ist es üblich, dass hierfür als gesichert geltende Regeln (Axiome) verwendet werden. So hat beispielsweise Waldo Tobler das sogenannte erste geographische Gesetz formuliert: "Everything is related to everything else, but near things are more related than distant things " (Tobler 1970). Hingegen zeigt etwa Benno Werlen in seinem handlungszentrierten Ansatz auf, dass nicht nur reale Nachbarschaftsbeziehungen von Objekten oder Merkmalsausprägungen Raumkonstrukte ermöglichen, sondern Räume eben auch durch z.B. handelnde Menschen, die nicht notwendigerweise in räumlicher Nachbarschaft agieren, sozial konstruiert werden können (vgl. z.B. (Werlen 1993).

Aber auch in der quantitativ naturwissenschaftlich orientierten Repräsentation der Welt ist das Konzept von Nachbarschaft nach Tobler nur für manche Zusammenhänge gültig. So ist etwa die Konzentration von Stickstoff in der Atmosphäre vergleichsweise homogen und kontinuierlich während beispielsweise geologisch kontinuierliche Einheiten an Kontinentalplatten oder Störungen von einem Meter zum nächsten die nachbarschaftlichen Zusammenhänge geradezu konterkarieren. Definieren wir also GI Systeme als Werkzeuge, die nach den Regeln der Informationsverarbeitung zu bedienen und zu nutzen sind, dann müssen wir einen Weg finden, um geographisch so widerstreitende Raumrepräsentationen auf nachvollziehbare und reproduzierbare Weise zu definieren und integrieren.

Abbildung 7: Die Interpretation der perzipierten „realen Welt“ sowie die Entwicklung geeigneter Strategien für den praxistauglichen Umgang (=Abstraktion)  mit dieser Welt, findet mit dem Hilfsmittel der Modellbildung statt.Abbildung 7: Die Interpretation der perzipierten „realen Welt“ sowie die Entwicklung geeigneter Strategien für den praxistauglichen Umgang (=Abstraktion) mit dieser Welt, findet mit dem Hilfsmittel der Modellbildung statt. (Reudenbach 2009)

Die Zusammenhänge der realen Welt sind in der Regel so komplex, dass sie nur in einer generalisierten Form verständlich darstellbar oder analysierbar sind. Schon im Alltag konstruieren wir ständig kognitive Modelle zur Vereinfachung unserer Weltwahrnehmung (Rasch 2006). Diese Erfahrung ist auch in den Wissenschaften bekannt. So notiert der Physiker Bridgman bereits 1927: "I believe that the model is a useful and indeed unescapable tool of thought, in that it enables us to think about the unfamiliar in terms of the familiar" (Bridgman 1927), während 1972 der Modellierer Rivet schlicht behauptet: "The History of mankind is the history of model building." (Rivett 1972)

Die Perzeption und Interpretation der „realen Welt“ sowie die Entwicklung geeigneter Strategien für den praxistauglichen Umgang mit dieser Welt, findet mit dem Hilfsmittel der Abstraktion und Kommunikation (= Modellbildung) statt (vgl. Abb. 7). Die eingesetzten Strategien der Abstraktion sind widerstreitend und vielfältig, da Kontextabhängigkeit und Zielsetzung des Abstrahierenden einen wesentlichen Einfluss auf die Resultate ausüben ("Methode Götterblick" s.a. (Eckmüllner 2007)

Das heißt, die gewählte Abstraktion der räumlichen Welt ist, wissenschaftlich betrachtet, bestenfalls nachvollziehbar und transparent aber niemals wahr. Auch garantiert die logische Validität der Abstraktion weder die Gültigkeit abgeleiteter noch allgemeiner Aussagen. Ob das konstruierte Modell der Wirklichkeit entspricht, lässt sich daher nicht beweisen. Bestenfalls lässt sich die Gültigkeit für den definierten Zweck nachweisen, nie aber Wahrheit (Bossel 2004).

Trotz dieser enormen Einschränkungen werden Repräsentationen des Raumes permanent und dringend benötigt, um nachvollziehbar räumliche Informationen zu dokumentieren, zu analysieren und zu kommunizieren. Oft sind mehrere oder variable Repräsentationen notwendig um die Realität ausreichend genau abzubilden.

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Wer räumliche Kompetenz erwerben will, muss alle genannten Aspekte und keineswegs nur die softwarespezifischen berücksichtigen. Wissenschaftstheoretisch ist GIS in der Geographie ein Methodenverbund raum-zeitliche Zusammenhänge nachvollziehbar und reproduzierbar zu konstruieren.

GIS in der universitären Geographie

Versuchen Sie einzuordnen welche Relevanz GIS in der universitären Ausbildung und Forschungarbeit im Fach Geographie hat. Besuchen Sie hierzu eine Auswahl von geographischen Instituten im Internet.

  • Versuchen Sie die Bedeutung von GIS anhand der Studienordnungen und der angebotenen Kurse einzuordnen.
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